Wie lange dauert ein Hundeleben? Wie hoch ist die Lebenserwartung meines Hundes? Diese Frage stellen sich viele Hundebesitzer. Die Lebensspanne eines Hundes ist von vielen Faktoren abhängig. Bewegung, gesunde Ernährung, tierärztliche Versorgung oder geistige und körperliche Auslastung spielen definitiv eine Rolle um unsere Hunde bis in das hohe Alter glücklich und aktiv zu halten.
Jedoch wird, zum Beispiel eine deutsche Dogge, auch mit der besten Betreuung und dem glücklichsten aller Hundeleben nur sehr selten 15 Jahre alt werden. Bei beispielsweise einem Dackel ist dies jedoch ein Alter, welches zumeist problemlos erreicht wird. So gibt es eine „natürliche“ Altersbegrenzung in jedem Tier, die durch äußere Faktoren wie gute Betreuung, ausgewählte Ernährung und tierärztliche Versorgung, zwar bis zum Äußersten ausgereizt, aber nicht überschritten werden kann.
Das Hundealter in Menschenjahren – Die Alterstabelle
Jeder Hundehalter kennt die „Alterstabelle“, in der Hunde- und Menschenjahre aufgeführt werden. In diesen Tabellen wird die Lebenserwartung unserer Hunde in Gewichtskategorien unterschieden. Oft werden drei Kategorien (bis 15kg, bis 40kg und ab 40kg) unterschieden, wobei sich die Lebenserwartung teils dramatisch unterscheidet. Informationen, woher diese erheblichen Unterschiede in der Lebenserwartung großer und kleiner Hunde kommen, konnte ich jedoch bei keiner dieser Tabellen finden. Dies soll sich mit diesem Beitrag ändern.
Wenn die Größe eine Rolle bei der Lebenserwartung spielt
„Große Hunde sterben jung“, heißt es in entsprechender Literatur, welche sich mit diesen Phänomenen der Alterung und Lebenserwartung beschäftigen. Aber sterben große Hunde wirklich jung? zum Beispiel, weil sie ein höheres Sterblichkeitsrisiko haben, oder sterben sie vielmehr “früher alt“, weil sie früher anfangen zu altern beziehungsweise schneller altern? Diese so einfach dahingeworfenen Fragen sind in keiner Weise trivial und haben schon ganze Forschergeneration in der Altersforschung umgetrieben.
Interessanterweise gibt es bei Säugetieren die Tendenz, dass große Arten in freier Wildbahn, länger leben als kleine Arten. So leben Wale länger als Elefanten, welche länger leben als Rinder, welche länger leben als Rehe, welche länger leben als Hasen und so weiter. Wie schon geschrieben handelt es sich hierbei um eine Tendenz und Ausnahmen bestätigen die Regel. Zudem bezieht sich diese Tendenz auf das „natürliche“ Alter eines Tieres, das irgendwann, aufgrund von Alterserscheinungen, stirbt. Ein junger Hase, der von einem Raubtier gefressen wird, fällt natürlich nicht in diese Kategorie.
Um dies weiter zu verdeutlichen macht es Sinn das „Altern“ einmal zu definieren. Altern bedeutet die zeitlich abhängige Abnahme der körperlichen und geistigen Fitness eines Organismus. Diese Abnahme ist fortschreitend und irreversibel. Die Ursachen für das Altern liegen im Organismus selbst. Durch die Anreicherung gesundheitsschädlicher Merkmale, während des Alterungsprozesses, ist der gesamte Organismus betroffen. Bei dieser Definition schließt sich also der anfänglichen Entwicklungsphase, die Phase des Alterns (auch Seneszenz genannt) an. Die Entwicklungsphase zeichnet sich hierbei durch eine steigende Vitalität, das Altern durch eine abnehmende Vitalität aus, wobei Zellen, Gewebe und Organe zunehmend ihre Funktion verlieren.
Aber steht diese Tendenz, dass große Säugetierarten eine längere Lebenserwartung haben als kleinere Säugetierarten, nicht im Widerspruch zu unseren Hunden? Ja und nein. In der Tat werden kleine Hunde im Durchschnitt älter als große Hunde. Jedoch handelt es sich bei unseren Hunden nicht um einzelne Arten, sondern um Rassen, also Subspezies, der Art Canis lupus familiaris. Innerhalb einer Art ist die Tendenz genau umgedreht. Kleine Tiere haben eine längere Lebenserwartung als Große.
Dieses Phänomen ist auch für Altersforscher sehr interessant, wodurch sich unsere Haushunde als Studienobjekt besonders beliebt gemacht haben. Denn wir Menschen haben in einer selektiven Zuchtwahl bisher über 400 Hunderassen hervorgebracht. In der Körpermasse gibt es hierbei Unterschiede bis zum Faktor 100 und auch die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen den Rassen sind enorm! So gibt es Chihuahuas mit 700 Gramm Gewicht, die bis zu 20 Jahre alt werden können und gleichzeitig Bernhardiner mit über 70 Kilogramm, die jedoch nur eine Lebenserwartung zwischen 6 und 8 Jahren haben. Eine solche Artvariation wäre auf natürlichem Wege wohl kaum entstanden. Zudem zwingt sich bei näherer Betrachtung ein Zusammenhang zwischen Größe und Lebenserwartung bei unseren Hunden geradezu auf. Mittlerweile gibt uns die Alterforschung auch schon gute Hinweise und hinreichend validierte Theorien, welche Ursachen diese Unterschiede in der Lebenserwartung haben könnten. Eine absolut, gesicherte Erklärung gibt es jedoch noch nicht.
Sterben große Hunde früher jung oder schneller alt?
Kommen wir jedoch nochmal zur Anfangsfrage zurück. Sterben große Hunde früher jung, im Vergleich zu kleinen Hunden, oder sterben sie früher, weil sie früher anfangen alt zu werden oder vielleicht weil sie schneller alt werden als kleine Hunde?
Eine Studie deutet auf Letzteres hin. Große Hunde haben eine kürzere Lebenserwartung, da sie nach Eintritt des Alterungsprozesses schneller altern als kleine Hunde. Große Hunde haben jedoch kein höheres Sterberisiko in ihren jungen Jahren und der Alterungsprozess scheint zwar etwas früher zu beginnen, im Vergleich zu kleinen Hunden, jedoch nicht erheblich früher.
Wenn die Größe, die Energie raubt
Doch warum altern große Hunde schneller als ihre kleineren Artgenossen? Der Schlüssel zu dieser Frage könnte in dem Verhältnis der Geburtsmasse zu der Masse des erwachsenen Hundes liegen. Vergleicht man beispielsweise die drei Rassen Papillon, Labrador Retriever und die Deutsche Dogge, so wird klar, dass die Welpen der Deutschen Dogge bedeutend mehr wachsen müssen um ihr Endgewicht zu erreichen, als die Papillon-Welpen. Hier setzt die sogenannte „Oxidative Stress Theory“ an, welche neben anderen Theorien Antworten auf den Alterungsprozess bei Hunden geben kann.
Die notwendige Energie für alle Vorgänge in unserem Körper und auch bei unseren Hunden, wird über Stoffwechselvorgänge in unseren Zellen erzeugt. Diese Energie wird dann für die Neusynthese der Körpermasse verwendet. Aber auch andere Vorgänge benötigen Energie. So entstehen bei den Stoffwechselvorgängen sogenannten Reaktive Sauerstoffspezies (oder Sauerstoffradikale genannt). In zu großen Mengen bewirken diese Sauerstoffradikale einen oxidativen Stress in den Zellen, wodurch die Zellen Schaden nehmen. Organismen haben daher im Laufe der Evolution, Prozesse entwickelt diese freien Radikale abzufangen, beziehungsweise den angerichteten Schaden (zum Beispiel an der DNA) wieder zu reparieren. Jetzt stecken große Hunde in einer Zwickmühle. Zum einen müssen Sie in der Entwicklungsphase sehr viel Energie in ihr Wachstum investieren. Daher steht weniger Energie zur Verfügung um die Sauerstoffradikale zu neutralisieren, sowie entstandene Zellschäden zu reparieren. Zum anderen fördert rapides Wachstum die Entstehung dieser zellschädigenden Radikale. Im Vergleich zu kleinen Hunden, akkumulieren bei großen Rassen diese wachstumsabhängigen Zellschäden stärker während der Entwicklungsphase.
In der Entwicklungsphase machen sich die wachstumsbedingten Zellschäden nicht bemerkbar. Weder bei den kleinen noch bei den großen Hunderassen. Sobald jedoch diese Phase abgeschlossen ist, verläuft das Altern bei großen Hunden schneller ab, da sich bereits mehr Zellschäden angehäuft haben.
Letztendlich wirken sich daher, für eine bestimmte Spezies, unterdurchschnittliche Körpermasse und ein unterdurchschnittlich langsames Wachstum positiv auf die Lebenserwartung aus. Große Hunde müssen jedoch rapide und überdurchschnittlich stark wachsen um ihr Endgewicht zu erreichen. Aber welche Körpermasse ist für unsere Hunde durchschnittlich? Beobachtungswerte zeigen, dass Hunde, die sich ohne menschliches Eingreifen fortpflanzen können, im Laufe der Zeit einem Körpergewicht von etwa 10-15 kg annähern. Ob diese Körpermasse dem altersbedingten Optimum entspricht, bleibt vorerst noch spekulativ. Zudem spielen, wie am Anfang schon erwähnt viele weitere Faktoren wie Bewegung, gesunde Ernährung, tierärztliche Versorgung oder geistige und körperliche Auslastung eine wichtige Rolle für die Lebenserwartung unseres Vierbeiners.
Zum Glück gibt es schlaue Menschen, die mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit versuchen unsere geliebten Vierbeiner besser zu verstehen. Dieser Artikel ist auf Grundlage folgender Arbeiten entstanden:
- Colin Selmann und Kollegen: „Ageing: It’s a Dog’s Life“; Current Biology, 2013
- Rong Fan und Kollegen: „Birth mass is the key to understanding the negative correlation
between lifespan and body size in dogs“; Aging, 2016
- Ana Gabriela Jimenez und Kollegen: „Cellular metabolism and oxidative stress as a
- possible determinant for longevity in small breed and large breed dog“s, PLOS ONE, 2018